28
Okt
2006

Quotenmenschen

Im Schwimmbad fühlt man sich wie in England, mit britischen Akzenten, schwimmenden Quotennegern, die doch nur in der Mitte des Beckens halten und plantschen. Hier trifft man auf Kontraste, auf Ränder der Gesellschaft, weil Schwimmen ein Sport ist, denn viele machen können, hier würfelt sich zusammen, was auf der Straße oft nur rastlos vorbeihastet.

Am Heimweg begehe ich kleine Moralsünden, stopfe mich mit McDonalds zu, ohne Rücksicht auf Verluste oder Fahrgäste und zelebriere diese Niveaulosigkeit bis zur Stadthalle, wo mein Vater anruft.
Ich habe mir in Wien ein kognitives Straßen-Landkartengitter gebaut, in dem sich die Dinge so schön zusammenfügen und es doch immer wieder Neues zu entdecken gibt. Die Orte, die aufgeladen sind mit Situationen und Erlebnissen, schießen beizeiten wie Blitze in einen und ich werde dein Gesicht bei der Stadthalle nicht los, an jenem sonnigen Sommernachmittag, an dem wir im Cafe Westend landeten, wo D., der beim Trend arbeitete, so trendig war (D., der Depressive, der jeden Tag anrief und mit Selbstmord drohte, und du, der so eine Geduld dabei hatte, Medienjunkies wieder in die Wirklichkeit zu puschen, obwohl du selbst schon in einem Raum längst außerhalb ihr warst). Dort, wo der sonnige Tag so im Kontrast zu den gestellten Fragen, unserem düster-gequälten Lachen stand, dass es schon fast skurill anmutete. Dort vergesse ich nie diese Fragen, "ob ich schon einmal", und ich lächle. Ja, ich habe. Und du lächelst, als hättest du ohnehin gewusst.

Später bei Nick Cave verlieren wir D. ohnehin. Ich werde heute wieder an dich erinnert, als ich in das sich in Schönheit verzerrende Elend eines Junkies am Karlsplatz blicke, bei dem sich beide Ebenen überschneiden. Es liegt soviel Stolz in der Verweigerung, auch wenn sie die einzige Option für viele ist.
Ich kann doch Ästhetik nicht völlig ausklammern.

Produziere Kirschtassen aus Ausverkaufs-Hofer-Einkäufen (keine Ahnung, wozu, vielleicht, weil dies der Farbe meines Bildschirms ähnelt, vielleicht auch, weil Kirschen so göttlich sexy sind), frage mich, ob wir wirklich sollten und bereite Märchenstunden für morgen bei C.

Später, bei Nick Cave, verloren wir D. ohnehin.
Ich denke gerne an diese erste Annäherung, aus der soviel Chaos erwachsen ist, zurück.

Cemetry Gates

Es sind Türen, durch die wir gehen, und nicht immer sind diese abhängig von den Scheidepunkten, die wir im Leben setzen. Manchmal spielen sie sich auch einfach in einem selbst ab. Es sind dies die Tage, an denen man zuhause bleibt, sich mit Häuslichkeit beschäftigt und sich Dingen zuwendet, die man untypischerweise an sich nicht entdeckt hat. Dinge tut, mit denen man abgeschlossen zu haben glaubte, und wenn es nur kurze Unterhaltungen mit Menschen sein mögen. Einen Tag unter der Decke (es sind diese so selten) die Möglichkeiten absteckt, die man hätte, Menschen um- und einbezieht in seine Tage, die man vorher als Randerscheinungen nicht mal halb gekapert hatte. Und dennoch wird dies plötzlich zur Option, und man weiß mit einer verrückten Sicherheit, dass es an niemandem als einem selbst liegt, das zu ändern.
Die Tage werden wärmer, obwohl sie kälter sein sollten. Ich friere nicht mehr, was mir Lebensqualität bietet, die vielleicht für viele selbstverständlich scheint. Einige Menschen lachen in mir, einige andere verblassen. Ich träume von einstürzenden Origamihäusern und habe doch auf einem Fest nur einen Vogel aus einem Plakat gefalten, damit andere Menschen etwas für ihre "Ex in a box"-Projekte haben, obwohl sie ja doch laut Eigenaussage zuwenige besaßen.

Inmitten all dieser kryptischen Tage versucht man, ein wenig mehr Sport zu betreiben, seine kleinen Organisationen zu tätigen. Endlich aufgeschobene Listen abzuarbeiten, weil aus Präsentationsgründen (Modeschaun und ähnliche Freuden) zu wenig Zeit war.

Ich lache in einen Morgen, an dem mein Körper kräftiger sein wird als die letzten Tage, koche Suppengemüse und atme dreimal tief durch.

Es mögen wieder härtere Tage kommen. Es gibt mannigfaltige Gründe, warum man immer weniger weint.

"A dreaded sunny day
So I meet you at the cemetry gates
Keats and Yeats are on your side
A dreaded sunny day
So I meet you at the cemetry gates
Keats and Yeats are on your side
While Wilde is on mine"

Und ich erwähne beiläufig, wie toll The Smiths mit Texten werfen, bin aber nicht sicher, ob es ankommt, ob das, was hinter den Worten steckt, meine Quintaussagen-Essenz, aufgesogen wird, oder nicht. Es ist wichtig, es erwähnt zu haben.

"So we go inside and we gravely read the stones
All those people, all those lives
Where are they now ?
With loves, and hates
And passions just like mine
They were born
And then they lived
And then they died
It seems so unfair
I want to cry"

Wie gesagt,
die Tränen werden weniger.
Und das, obwohl immer jemand mit einer großen Nase hinter dir steht, der dir ein Bein stellt und dich auslacht, wenn du fällst.

"Cause there's always someone, somewhere
With a big nose, who knows
And who trips you up and laughs
When you fall"

Ich sollte wieder mehr "After-Weggeh-Mails" an Verena schreiben. Gleichzeitig ohnehin viel mehr schreiben, ganz gleich in welchen Belangen, Hauptsache, für mich.

Auf völlig anderer Ebene habe ich keine Lust auf Verwandtenfragen, sie fallen ohnehin immer gleich aus. Es wäre schön, wenn man einmal in dieser Hinsicht überrascht würde, so, als frage man den Würstelstand-Besitzer nicht nach einer Käsekrainer, dafür aber nach einem Stück Papier und Stift (denn da gucken sie immer ganz verdutzt).
Kreativität im "die richtigen Fragen stellen" vermisse ich so sehr. Sie zeigt sich in der Kunst, die falschen Fragen in richtige zu verpacken.

If i could start again
a million miles away
I would keep myself
I would find a way.
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dreaded sunny days

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